Würde man mir meine Geschichten stehlen, würde ich mich wie ein unbeschriebenes Blatt fühlen - leer, stumm und wertlos. Meiner selbst beraubt. Deswegen werde ich auf diesem Blog auch niemals ganze Texte veröffentlichen; nur Ausschnitte, einzelne Bruchstücke; zu klein, um damit als Dieb selbst wieder ein Ganzes herstellen zu können.
Hier nun also das zweite Bruchstück aus meiner Kurzgeschichte
Schicksalszug. Die Hauptdarstellerin hat inzwischen Gesellschaft bekommen; ein äusserst gesprächiger junger Mann hat sich ihr gegenüber hingesetzt und verzweifelt versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sie jedoch bleibt erbarmungslos kalt wie der eisige Wind der am Fenster des Zugs vorbeibefegt.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich endlich verstohlen über den Rand meines Buches hinweg spähte und mir meinen gesprächigen Mitreisenden etwas genauer betrachtete.
Sein feuchter, schwarzer Mantel lag zusammengeknüllt auf dem Sitz neben ihm; sein gestreifter Schal hing inzwischen locker von seinem Hals und fügte sich dort perfekt in das Bild sportlicher Eleganz, für das sein gestärktes, weisses Hemd, die silberne Gürtelschnalle, die darunter hervorlugte, die dunkelblaue Jeans und die schlammverschmierten, ehemals weissen Turnschuhe sorgten. Einiges konzentrierter als ich beugte er sich über ein völlig zerfleddertes Magazin, das er wahrscheinlich unter seinem Sitz hervorgezerrt hatte; die mittlerweile wieder aufgetauten Züge seines goldbraunen Gesichts zuckten hin und wieder nervös; ganz so, als würde er sich wahnsinnig über seine Lektüre amüsieren.
Er sah gut aus.
Das war mir beim ersten Blick zwar nicht aufgefallen, stach mir jetzt jedoch erst recht ins Auge.
Er musste meinen Blick auf sich ruhen gespürt haben, denn er hob abrupt den Kopf und grinste mich ziemlich unverschämt an. „Was ist?“, erkundigte er sich und liess belustigt seine linke Augenbraue zucken. Offensichtlich hielt er mich für ausgesprochen witzig. „Wenn ich nicht so erkältet bin, bin ich gar nicht so hässlich.“
„Haha“, entschlüpfte es mir sarkastisch. Heftig biss ich mir auf die Zunge und verschanzte mich wieder hinter meinem Buch. Ich hätte gar nicht auf sein albernes Spässchen eingehen sollen; das ermutigte ihn doch bloss. So unauffällig wie möglich sah ich auf meine Armbanduhr. Besonders schnell würde ich wohl nicht von ihm erlöst werden: Vor mir lag noch über eine Stunde Fahrt.
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie er mich einen Moment lang enttäuscht musterte, sich dann aber schweigend wieder seinem Magazin zuwandte.
Dein schreibstil gefällt mir sehr gut, der Inhalt und die themen die du wählst sprechen mich an und ich würde gerne mehr davon lesen,
AntwortenLöschenan deinen Geschichten länger dranbleiben^^
ich finde schön, dass du sowas schreiben kannst und es auch tust;)
fabi
Vielen, vielen Dank! :D
AntwortenLöschenDiese Geschichte ist eine von denen, die mir am meisten am Herzen liegen und auf die ich am meisten stolz bin! Da freut mich ein so schönes Lob gleich doppelt! :D